Ein Gastbeitrag von Uwe Rinck
Ich bin ja schon seit Jahren Fan der Ampeg-Combos aus den 1950er und 1960er Jahre. Mein erster Ampeg war ein Akkordeon Amp, ein M-12 von 1956 - ein richtig guter Amp mit einem tollen Tremolo und natürlich auch für Gitarre bestens geeignet. Dann kam später noch ein R-12 aus den frühen 1960ern dazu. Und eben jetzt dieser J12 von 1967...
röhrologie
All diese Amps sind alle mit den üblichen Röhrentypen dieser Jahre bestückt - 5U4, 6SN7, 6SL7 und 6V6. Der J12 aus dem Jahre 1967 hatte jedoch Röhren im Einsatz, die mir für Gitarren-Amps
nicht so geläufig erschienen. Und er zeigte zudem einen Fehler, denn eine der Röhren hatte einen Defekt – wohl einen Feinschluss zwischen Heizung und Kathode, was ein starkes Brummen verursachte,
auch bei gering aufgedrehtem Volumen-Poti; daher war ein Röhrentausch der erste Schritt, nachdem ich den Amp erworben hatte.
Bei dieser defekten Röhre handelte es sich um eine 6BK11, die mit ihren drei Trioden sowie Sockel und Fassung mit 12 Pins schon etwas Besonderes darstellt.
Bei meinen Recherchen sah ich, dass diverse J12 Modelle mit anderen Dreifach-Trioden ausgerüstet waren, mit 6K11 oder 6Q11. Diese Röhren sind alle nicht mehr als Neuware erhältlich, sondern nur
noch auf dem Gebrauchtmarkt, wo heftige Preise für sie aufgerufen werden. (Die 6BK11 ist zwar bei einigen Lieferanten offiziell noch im Programm, aber mit dem Hinweis „momentan nicht lieferbar“
versehen)
HISTORIE
Ampeg wurde 1946 von Everett Hull gegründet. Er entwickelte u. a. auch einen Pickup für seinen Kontrabass. Der Pickup saß auf einer Stütze (peg) im Bass, was seine Frau dazu inspirierte, die Konstruktion „Ampeg“ (amplified peg) zu nennen. Fertig war der Firmenname!
Die später legendär werdende Amp-Schmiede entwickelte sich schließlich aus der Zusammenarbeit von Hull und dem Amp-Techniker Stanley Michael. Nachdem Michael die „Michael-Hull-Electronic-Labs“ verließ, benannte Hull seine Firma in „The Ampeg Bassamp Company“ um. 1968 verließ Everett Hull dann die Firma, die er gegründet hatte.
Aus der Fernsehtechnik waren mir Dreifach-Trioden bei einigen japanischen Herstellern (National TV) bekannt, bei denen aber alle Trioden über den gleichen Verstärkungsfaktor verfügen und auch
noch zum Teil erhältlich sind.
Da aber die oben genannten Fernseher-Typen als Ersatz für die Ampeg-Röhren angeboten werden, habe ich mir die Datenblätter etwas genauer angesehen. Das Studium dieser Datenblätter ergab, dass
diese Ersatztypen leider nicht so exakt passen.
Fender hat in einigen Modellen auch Dreifach-Trioden wie die 6C10, so z. B. im Super Champ, Super Twin Reverb und Super Six Reverb eingesetzt. Als Vergleich wird oft die 6AC10 angeboten, unter
anderem auch für die Ampeg 6BK11.
Der Tube Amp Doctor schreibt zu dieser 6AC10: "Compactron Röhre, 3-fach Triode, ähnlich der 6C10 wie verwendet z. B. im Fender Super Champ, Super Twin Reverb, Super Six Reverb und dem Soldano Hot
Mod.Kann direkt mit 6C10 ausgetauscht werden und erzeugt dabei einen milderen Ton mit etwas weniger Gain und ist auch als Ersatz für die extrem rare 6BK11 (Ampeg Jet) verwendbar."
Ich habe daraufhin mal eine Tabelle mit all diesen Röhren erstellt - und wie man sieht, sind sie alle pin-kompatibel. Immerhin schon mal was!
Bei widerstandsgekoppelten Röhrenschaltungen ist die Verstärkung natürlich stark abhängig von den Werten der Widerstände und Spannungen. So weit, so gut …
Um jetzt einen Austausch mit anderen Röhren zu erreichen, muss man wohl oder übel über die bekannten und gut erhältlichen12AX7 und 12AT7 nachdenken.
Bei einem J12 ist der Austausch selbst relativ einfach zu erreichen. Die zwei 6BK11, also sechs Trioden, lassen sich mit zwei 12AX7 und einer 12AT7 erreichen. Die 12AX7 hat einen
Verstärkungsfaktor von 100, die 12AT7 einen von 70, d. h. sie sind also dem statischen und dynamischen Bereich der 6BK11 sehr nahe.
Am Rande: Es gibt eine Besonderheit des J12: Die Tremolo-Schaltung - ein ganz normaler Oszillator-Aufbau, wobei aber das Signal am Eingang und am Ausgang des ersten Röhrensystems reduziert wird. Das habe ich so noch nicht gesehen.
Der Umbau
Ein Umbau könnte wie folgt erfolgen …
Einen Träger mit drei Noval-Sockeln inkl. Abschirmkappen anbringen und die Leitungen entweder an die 12-pin-Sockel oder auf die Lötleiste anlöten.
Montageblech für Röhrensockel: Der Abstand von 7591 zur ersten 6BK11 beträgt 15,6 cm, daher habe ich mal eine Länge von 15 cm geplant. Die Röhrensockel des J12 sind genietet, daher kann man die
Löcher für M2-Schrauben nutzen. Da die 6BK11 ja entfernt werden, ist über den Sockeln ausreichend Platz.
Gesägt, gebohrt, getan … und die nötigen Teile bestellt, unter anderem, 3x Noval-Sockel mit Abschirmung, M2-Stehbolzen und passende Schrauben mit Muttern.
Die Montageplatte ist eingebaut - und es kann verdrahtet werden.
Ich habe mich entschieden, die Anschlussdrähte so anzuschließen, wie es am einfachsten geht: entweder am 6BK11-Sockel oder an der Platine.
Ein kleiner Abstandshalter zwischen Rückwand und Chassis schützt die Anschlussdrähte vor dem Metallchassis. Ich werde aber auch noch einen Berührungsschutz anbringen, obwohl die Anschlüsse kaum zu berühren sind.
Alternative?
Wie im ersten Teil erwähnt, wird als Vergleich zur originalen 6BK11 die 6AC10 angeboten. Daraufhin habe ich mir auch noch zwei dieser Röhren bestellt und ausprobiert. Meine Meinung: Für den Sound ohne Tremolo ist die 6AC10 tatsächlich eine Alternative, wenn auch mit etwas weniger Druck. Leider funktioniert das Tremolo dann aber mehr nicht richtig, es fehlt die Tiefe und das Volumen wird nicht mehr richtig moduliert. Daher ist die 6AC10 für Liebhaber eines tiefen Tremolo-Sounds, wofür die Ampegs ja auch stehen, leider keine Lösung.
fazit
Diese Modifikation, die außer einigen Lötstellen keine mechanische Veränderung am Ampeg J12 notwendig macht, hat sich auf jeden Fall gelohnt. Denn der Unterschied ist signifikant! Der Amp wird lauter, der Klang ist dynamischer und hat deutlich mehr Punch.
Ich würde den Vergleich der Modifikationen zum Original wie folgt definieren:
- Original vs. 6BK11: kann aufgrund der defekten Röhre nicht herangezogen werden, da Brummen und Verlust eines großen Teils der Verstärkung einen Vergleich nicht zulassen.
- Tausch der 6BK11 mit 6AC10: Lautstärke sehr gut mit guter Dynamik, allerdings zulasten des Tremolo-Sounds (s. o.). Außerdem wirkt der Klang wirkt etwas komprimierter, wohl aufgrund der höheren Verstärkung des ersten Trioden-Systems.
- Tausch der 6BK11 mit 12AX7 und 12AT7: für mich eindeutig die beste Lösung, da das Tremolo nun die richtige Tiefe moduliert und der Amp insgesamt einen sehr guten Sound hat.
Als Vergleich kann man vielleicht den Ampeg R-12 heranziehen, der ähnlich wie der J12 mit der unter 3 beschriebenen Modifikation klingt, nur etwas weicher, aufgrund der 6SL7, die immer etwas weicher im Ton sind.
P.S.1: Das war mal eine schöne Aufgabe an einem verregnetem Sonntagvormittag.
P.S.2: Es gibt auch Ampeg VT22, V4 und VT40 Amps mit einer 6K11 und ich würde mir gerne mal einen solchen ansehen, ob man eine Modifikation durchführen kann, die ebenfalls keine Veränderung am
Chassis notwendig macht. Denn: Das lohnt sich!
ACHTUNG: Wer keine Ausbildung in Elektrotechnik genossen hat, sollte auch jetzt nicht daran denken, seinen Verstärker eigenständig zu modifizieren. Diese Arbeiten müssen aufgrund der
hohen Ströme bzw. Spannungen, die in solchen Aggregaten fließen, zwingend Fachleuten überlassen bleiben.
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Dieter Lender (Sonntag, 28 Juli 2024 17:08)
Der letzte Satz sollte wohl ...aufgrund der hohen Spannungen heißen...
Heinz Rebellius (Sonntag, 28 Juli 2024 19:10)
Danke für das aufmerksame Lesen - "Spannungen " ist natürlich das richtige Wort, aber etwas Umgangssprache darf durchaus sein. Werde den Text aber noch passend abändern.