über die fender classic player baja 50s telecaster
Taller exclusivo personalizado? Ganz einfach - das ist Mexikanisch bzw. Spanisch und bedeutet „Custom Shop“! Fährt man von Corona, Kalifornien, wo der Fender Custom Shop zuhause ist, etwa 200 km nach Süden, passiert man die viel besungene Grenzstadt Tijuana und landet nach weiteren 100 km auf der 1D Highway in Ensenada, Mexico, in der Region Baja California. Und dort ist die Produktion von Fender Mexiko beheimatet.
Chris Fleming, Masterbuilder des Fender Custom Shop, wird um 2005 herum diese Strecke des Öfteren gefahren sein, um seinen mexikanischen Kollegen ein neues Projekt für die erfolgreiche Classic-Player-Serie nahe zu bringen. Chris war damals der Tele-Mann des Custom Shop - und er brachte richtig gute Ideen mit über die Grenze. Das Ergebnis, die 50s Baja Telecaster, ist längst auf dem besten Weg, eine der wenigen Kultgitarren der mexikanischen Fender-Produktion zu werden. Und das hat gute Gründe, die ich im Folgenden erläutern werde.
Tele-Nerds von heute heben vor allem ab, wenn es um den Hals der 50s Baja Tele geht: schön fett, und mit einem unfassbar griffigen Soft-V Profil veredelt. Das erinnert natürlich an die allerersten Teles zu Anfang der 1950er Jahre. Umso erstaunlicher, dass keine andere Telecaster aus dem Fender-Katalog von heute abseits des Custom Shop einen solchen Hals und damit ein solch authentisches Spielgefühl liefert. Und dieses Spielgefühl wird auch durch die Tatsachen, dass das Griffbrett mit einem eher modernen 9.5“-Radius und Medium-Jumbo-Bünden ausgestattet ist, nicht beeinträchtigt. Man(n) hat ordentlich Holz in der Hand, aber der Hals lässt sich bestens spielen...
Die Auswahl der Hölzer für den Bau einer Baja Tele ist klassisch: Esche für den Korpus und one-piece Ahorn für den Hals. Neu war dagegen der Hals-Pickup namens Twister, der klanglich an einen guten Strat-Pickup erinnert. Der flat-polige Broadcaster am Steg ist ebenfalls gut, er klingt satt, fett und direkt. Reichlich Tang, und ohne Eierschneider! Beide Pickups kamen so gut an, dass man sie später auch in diversen Fender-USA-Instrumenten wiedersah.
Ein 4-Weg-Schalter ermöglicht der Baja einen zusätzlichen Sound, bei dem beide Pickups seriell verschaltet sind und dadurch eine unerwartete Größe aus dem Tele-Brett herausholen. Zudem liefert Fenders S1 Schalter, dezent im Volume-Poti untergebracht, hohlwangige Out of phase Sounds, wodurch sogar Strat-ähnliche Texturen erreicht werden. Auch gut, vor allem ange- und verzerrt.
Die 50s Baja Tele gab es in den Farben Desert Sand, Butterscotch Blonde, Black und Sunburst. Außerdem wurde eine limitierte FSR-Auflage (Factory Special Run) in wunderbarem Shell Pink aufgelegt. Linkshänder wurden leider nicht bedient.
Die 50s Baja Tele wurde von 2008 bis 2019 produziert. Bevor man auf Shopping-Tour durch die Portale dieser Welt surft, sollte man allerdings einige Dinge vorher wissen.
- Für die Produktion der 50s Baja Tele wurde ganz normale Esche verwendet, also keine Sumpfesche. Was bedeutet, dass es durchaus schwere Mexikanerinnen geben kann. Die leichteste, die ich kenne, wiegt 3,25kg, die schwerste mehr als 4kg. Deshalb also vor einem Kauf am besten auch das Gewicht erfragen, wenn das Thema relevant sein sollte.
- Eine Baja Tele ist mit satten Polyurethan-Lacken versiegelt - hier sollte man also keine Nitro-typischen Vintage-Lackrisse erwarten. Nicht wenige Baja-Käufer haben den Body sogar abgeschliffen und neu z.B. mit Nitrolacken versiegelt.
- Vielen Puristen war die Baja-Schaltmimik ein Dorn im Auge, brauchten sie doch die zusätzlichen Sounds nicht. Sie ersetzten die Schaltung durch einen klassischen 3-Weg-Schalter ohne S1-Schalter. Vielleicht zweifelten sie die mechanische Stabilität des S1-Schalters an. Und tatsächlich: Dieser kann tatsächlich schon einmal festklemmen oder beim Umschalten laute Plopp-Geräusche machen kann.
- Das Halsprofil der Baja Tele hat sich über die Jahre leicht verändert. Das anfangs noch deutlicher ausgeprägte Soft-V-Profil tendiert später in Richtung U, lässt sich aber genauso gut spielen.
- Fender führte später eine Baja 60s-Serie ein, bei der eine typische 60er Tele nachempfunden (Erle-Body, C-Neck) und mit den gleichen neuzeitlichen Anleihen der 50s Series erweitert wurde.
Fender Baja Teles wurden neu für ca. € 700 angeboten; und genau in diesem Bereich liegen die Preise auch heute - Stand 2021/22 - auf dem Gebrauchtmarkt. Sicher kein Schnäppchen, aber - günstiger werden diese Gitarren nicht mehr, ganz im Gegenteil! Denn die Baja-Serie ist aus dem Holz geschnitzt, das das Zeug zum Kultinstrument hat. In Tele-Kreisen gilt die Baja Tele nach wie vor als die beste Fender Tele, die je aus der Mexiko-Fertigung kam. Und das trotz Road-Worn & Co.!
Seit 2020/21 gibt es allerdings starke Konkurrenz aus eigenem Haus; Fender hat die meisten der Baja-Features für die neue Vintera Series aufgegriffen, in der Vintera Modified 50s Tele - nicht zu verwechseln mit der Vintera 50s Tele. Letztere ist mit original Vintage Spezifikationen ausgestattet - vielleicht für den ein oder anderen die bessere, weil authentischere Alternative, wenn man auf die modernen Features der Baja in deren Schaltung, Griffbrettradius und Bundformat verzichten will. Ob diese neue Serie einen ähnlichen Status in der Tele-Gemeinde erreichen wird wie die Baja 50s und 60s Telecaster, muss die Zeit aber erst noch zeigen.
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Fred Gerdes (Dienstag, 01 Februar 2022 20:31)
Master-Builder / Custom Shop - Mythos:
Der Fender-Leo hatte jedenfalls keine Master-Builder. Der hatte nur eine eher klein-industrielle Produktion mit Hilfe von einem Haufen von Mexikanern und Mexikanerinnen. Und die haben ganz einfach, seriell und korrekt all diese legendären Gitarren produziert.