über c.f. martin F- und GT-Serien
Die 1960er Jahre boomten in vielerlei Hinsicht. Vor allem aber boomte die Musik, und damit natürlich auch das Gitarrengeschäft. Trotz der weltweiten Folk-Bewegung wuchsen vor allem die Umsätze mit E-Gitarren in ungeahnte Höhen – was Begehrlichkeiten auch bei den Firmen weckte, die bis dato den elektrischen Gitarren eher zurückhaltend gegenüber standen.
C.F. Martin & Co. z. B., der führende Hersteller von Akustikgitarren, hatte eigentlich nie daran gedacht, ein zweites Standbein mit dem Bau von E-Gitarren aufzubauen. Zwar stellte man in den 1930er Jahren auch Archtops her, aber der Jazz-Zug fuhr unter der Fahne von Gibson, Epiphone & Co. ohne den Akustikgitarren-Giganten ab. Doch in den 1960er Jahren, in denen auf allen Ebenen viele frühere Entscheidungen analysiert und nach neuen Wegen gesucht wurden, startete auch C.F. Martin & Co. den Versuch, in der vielversprechenden E-Gitarrenwelt Fuß zu fassen.
mit der F-serie in Richtung E-Gitarre
Die Martin F-Serie kommt 1961 auf den Markt, wird im Stammwerk in Nazareth, Pennsylvaina hergestellt und besteht aus drei Modellen: F-50 (Single Cutaway, ein Pickup), F-55 (Single Cutaway, zwei Pickups, vier Regler) und F-65 (Double Cutaway, zwei Pickups). Allen Gitarren ist ihre Konstruktion mit einem eingeleimten Mahagoni-Hals und die Farbe gemeinsam: ein dezentes, Honey Burst. Immerhin können Bigsby-Systeme optional mitbestellt werden.
Eye-Catcher ist aber nicht etwa der schicke DeArmond Singlecoil-Pickup, sondern ein Aufsatz-Steg aus Plexiglas! Dieser so ungewöhnliche wie moderne Steg wird bei den meisten Modellen aber schnellstmöglich durch einen Palisander-Steg ersetzt, so wie dies die meisten Musiker eben gewohnt sind.
Angeblich besitzt einer der Martin-Entscheider zu dieser Zeit eine Plexiglas-Firma und wollte nun das (ihm) Nützliche mit dem vermeintlich Guten verbinden. Weder vorher noch nachher wurde in der Gitarrengeschichte ein Steg aus Plexiglas verwendet.
Und eine weitere Einzigartigkeit zeichnet die F-50 und ihre Schwester F-55 aus: Sie sind die ersten Martin-Gitarren überhaupt, die ein Cutaway aufweisen. Respektive ist die F-65 die erste mit zwei Cutaways!
In den Details dieser Gitarre, sieht man einmal von dem meist schlecht gefertigten Plexi-Steg ab, ist erkennbar, dass hier absolute Fachleute am Werk sind. So ist die Form des Korpus nicht nur elegant, sondern ergonomisch perfekt austariert. Zudem passt das Design des Pickup-Rahmens mit seinem ungewöhnlichen, an Art Déco erinnernden Ausschnitt stilistisch sicher zu dem genauso ungewöhnlichen Trapez-Saitenhalter.
Umso erstaunlicher mutet daher die Form der Kopfplatte an - die typische, rechteckige Form der Akustikgitarren des Herstellers! Schade - das ist keine gute Entscheidung! Denn diese Form wird nicht nur mit Akustikgitarren assoziiert, sie passt zudem optisch überhaupt nicht zur dieser ansonsten so gekonnt designten Thinline-Archtop. Immerhin sollte Martin mit der 1965 vorgestellten GT-Serie diese Entscheidung revidieren, indem man den Gitarren neben einer insgesamt aufwendigeren Ausstattung auch eine größere, markant geformte Kopfplatte spendiert. Und die Martin GTs können ebenfalls mit einem Martin-first Feature aufwarten, sind sie doch die ersten Instrumente des Herstellers mit einstellbarem Halsstab!
nur 4 Jahre - dann gt
Ja, richtig gelesen – die F-Serie darf sich also nur bis 1965 ihres Lebens erfreuen. Denn sie ist alles andere als ein Erfolg, zwischen 1961 und 1965 werden nur 519 F-50, 655 F-55 und 566 F-65 gebaut. Das sind im Vergleich zu E-Gitarren anderer Hersteller und vor allem zu Martin-Akustikgitarren winzig kleine Peanuts. Martin-Spieler sind eben in erster Linie Akustikgitarristen, und ihnen sagen diese neue Gitarren überhaupt nichts. Und typische E-Gitarrenfans spielen lieber die Gitarren, die sie von den Hits der damaligen Zeit her kennen - Fender, Gibson, Gretsch und ein bisschen Guild. Überhaupt: Wer spielt denn damals eine Martin F-Gitarre? Mir persönlich ist nur Johnny Guitar Watson bekannt, der auf diversen LP-Covern mit einer F-65 zu sehen ist. Und der ist in der ersten Hälfte der 1960er Jahre nicht angesagt. In den 1970er Jahren, mittlerweile eine musikalische Größe, wird er dann mit Gibson-Gitarren wie z. B. einer ES-335 auf die Bühnen steigen.
Auch heute sieht man die Gitarren dieser beiden Serien nur extrem selten auf den Bühnen, trotz ihrer Qualität und trotz ihres Exoten-Bonus, den die Martins auf jeden Fall mitbringen. So sind z.B. Jackson Browne, der eine F-55 auf seiner 2014er Tour spielt, und Bela B, der auf seiner Solo-Tour 2014 eine GT-65 spielt, die großen Ausnahmen.
noch mehr elektro
Schon vor der F-Serie hatte Martin Versuche in Richtung verstärkte Gitarre gestartet, in dem sie auf einige ihrer akustischen Modelle einen DeArmond Pickup montierte. Heute wäre solch ein Konzept sicherlich erfolgreich, damals kam es jedoch zur falschen Zeit, denn kaum jemand war an diesen Gitarren - 00-18E, D-18E und D-28E - interessiert.
Wobei Die D-18E immerhin posthum zu großen Ehren kam, als Kurt Cobain u.a. beim MTV Unplugged Konzert von Nirvana eben diese Gitarre spielte.
Ende der 1970er Jahre startete Martin den nächsten Versuch mit der E-Serie - merkwürdige Solidbody E-Gitarren, deren Design sich nur entschließt, wenn man es in den damaligen Kontext setzt. Die 1970er Jahre waren, gelinde gesagt, eine spezielle Zeit! Es gab Antikriegs-Proteste, Benzinknappheit, Geschlechtskrankheiten und - Disco! Die angesagte Musik dieser Zeit verzichtete meist auf Gitarren und Bassgitarren, vielmehr hatten die Synthesizer das Sound-Zepter fest in der Hand. Doch man hatte nicht mit Gitarrengöttern wie Eddie van Halen oder Slash gerechnet, die der E-Gitarre letztendlich wieder Boden unter den Füßen verliehen. Nach so viel Glitzer und Flitter waren aber nun Gitarren im bodenständigen Natur-Look angesagt, Hersteller wie B.C. Rich, Alembic und einige andere mehr machten sich auf diesem Markt breit. Und auch Martin stellte sich im umkämpften E-Gitarrenmarkt wieder neu auf. Die E-Serie - zwei Gitarren und ein Bass - wurden 1979 vorgestellt, hatten eingeleimte Hälse und merkwürdige Kopfplatten, die wohl an den seligen Stauffer und die allersten Martin Gitarren im 19. Jahrhundert erinnern sollten. Von der E-18 wurden 341, von der E-18M immerhin 1375 und von dem Bass EB 874 Exemplare gebaut, nicht genug, um die Serie zu erweitern, als sich die Geschmäcker der Gitarristen zu Anfang der 1980er Jahre wieder änderten. So wurde auch dieser Versuch von Martin, in der E-Gitarrenwelt zu punkten, zeitig eingestellt - in 1982. Unter dem Markennamen Stinger importierte Martin etwas später günstige Fender-Kopien Instrumente in die USA, um danach bis heute keinen Fuß mehr ins Territorium der elektrischen Gitarren zu setzen.
vollwert
Natürlich werden die Gitarren der Martin F und GT-Serien nie die Sammler-Kurse einer Fender Strato-/Telecaster oder einer Gibson Gitarre aus dieser Ära erreichen. Wer heute auf der Suche nach einer dieser fein gebauten, authentischen Zeitzeugin aus dieser aufregenden Gitarrenzeit von Anfang der 1960er Jahre ist, muss sich auf Preise zwischen von € 2000 bis etwa € 2500 einstellen - durchaus mit steigender Tendenz. Aber immerhin noch deutlich günstiger als Kurt Cobains Martin D-18E, die in 2020 für sage und schreibe sechs Millionen Dollar versteigert wurde und damit als die bis dato teuerste Gitarre in die Geschichte eingegangen ist.
Dieser Artikel erschien in einer früheren Form erstmals in Gitarre & Bass.
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