ein flop mit charme
Man mag es kaum glauben, aber nicht jede Fender-Gitarre aus den 1960er Jahren ist automatisch eine begehrte Trophäe von Gitarrensammlern und Investoren. Und selbst der beste Rock´n´Roller aller Zeiten konnte dies nicht ändern. Jedenfalls nicht wesentlich. Diese großartige Fender Kingman aus dem Jahr 1966 ist dafür der lebende Beweis.
Darf ich also hier die am wenigsten erfolgreichen Gitarren der ansonsten so gefeierten Fender-Familie vorstellen – die Akustikgitarren aus Fullerton/CA, repräsentiert durch eine grandiose Kingman aus dem Jahr 1966.
Diese Kingman lief mir über den Weg, als ich vor Jahren wieder einmal das Angebot des Gitarrenladens Top Shelf in Buffalo, NY durchstöberte. Ein wunderbarer Gitarrenladen, der kaum Fender, Gibson & Co. anbot, sondern Cheapo-Marken wie Harmony, Supro, Valco, Teisco, Danelectro, Kay etc. anbot, die durch viel Stil und stemmbare Preise immer wieder Punkte sammeln konnten. Und ja - an diesem Tag wurde dort auch eine alte Fender Kingman angeboten, eine Gitarre, die ich noch nie in der Hand hatte, aber die schon alleine durch ihren Fender-style Headstock positiv auffiel. Mit dem Besitzer von Shelf Top, dem guten Scott Freilich (R.i.P.), hatte ich mich über die Jahre angefreundet. Er verkaufte mir eine Menge Gitarren und schrieb eine Zeitlang die Artikelreihe "Pawn Shop" in dem Magazin 'Gitarre & Bass', bei dem ich Redakteur gewesen war. Auf Scott konnte ich mich hundertprozentig verlassen, sowohl als Redakteur wie auch als Käufer heißer Gitarren-Ware. Und als er mir die Kingman als "richtig gute, komplett originale und seltene Gitarre" beschrieb, habe ich spontan meine Order platziert. Und mich unverzüglich in das Thema eingelesen und eine durchaus spannende Geschichte zu dieser Gitarre gefunden!
alles roger
Die Geschichte der Fender-Akustikgitarren ist von einer Deutsch-Amerikanischen Verbindung geprägt, die im amerikanischen E-Gitarrenbau der 1950er und 1960er Jahre eine große Rolle gespielt hatte. Denn Fender hatte sich die Dienste eines deutschen Gitarrenbauers gesichert, damit er eine Akustikgitarren-Linie entwickeln möge. Ob Fender ihn 1962 von Rickenbacker regelrecht abwarb, oder ob Roger Rossmeisl selbst bei Fender vorstellig wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Leo Fender jedenfalls hatte damals schon länger der Sinn nach eigenen Akustikgitarren gestanden, er wollte aber auf keinen Fall die erfolgreichen amerikanischen Platzhirsche wie Martin, Gibson und Guild kopieren, sondern so, wie er es immer tat, dem Instrument einen ganz speziellen Twist verleihen. Nun hatte er in Roger Rossmeisl einen Gitarrenbauer gefunden, der ähnlich visionär und radikal dachte wie er selbst.
Für die neuen Fender-Akustiks übertrug Rossmeisl Eigenschaften von E-Gitarren auf die Akustikgitarre, z. B. die Verschraubung des Halses mit dem Korpus. Der Hals selbst entsprach im Profil und Look einem E-Gitarrenhals, war also deutlich schmaler und dünner als ein typischer Akustikgitarren-Hals. Dank des fehlenden Halsfußes konnte man ohne Probleme bis in die höchsten Lagen wandern, ohne irgendwo anzustoßen.
Und dann war da ja noch die Kopfplatte – im typischen Fender-E-Gitarren-Design mit sechs einseitig angeordneten Mechaniken. Außerdem besaß der Steg sechs einzelne und in der Oktavreinheit und Höhe einstellbare Saitenreiter aus Metall!
Dies alles waren - ganz im Sinne von Leo Fender - unerhörte, rebellische Verstöße gegen den traditionellen Akustikgitarren-Bau und gleichzeitig ein deutliches Ausrufezeichen an die eher traditionell ausgerichtete Akustikgitarren-Welt von damals gerichtet!
do the broomstick
Mit vier unterschiedlich großen Modellen schritt man 1963 auf den Markt: King, Concert, Classic und Folk. Als sich die ersten 100 bis 200 Modelle als zu instabil erwiesen, insbesondere was die Halsverbindung und den Saitenzug auf die Decke anging, baute Rossmeisl kurzerhand einen Aluminium-Stab in den Korpus, der Hals- mit Endklotz verband und so die Gitarre stabilisierte. Fender nannte diesen Stab Tonebar, doch schnell hatte er seinen Spitznamen weg: Broomstick, also Besenstiel.
Die King war das größte Modell der Serie. Ihr Korpus entsprach in in etwa Martins D-Modellen und ihr Name war damals keineswegs eine Hommage an Elvis Presley. Sie war schlicht das Top-of-the-line-Modell mit massiver Fichtendecke, schickem Herringbone-Binding und einem Korpus, der wahlweise aus massivem Rio- oder Inder-Palisander, Zebrano oder Vermillion (Paduak) gebaut war.
1966 – und jetzt kommt diese hier abgebildete Gitarre ins Spiel – wurde der Name von King in Kingman abgeändert und nun in verschiedenen Lackierungen wie Sunburst, Antigua, Schwarz und diversen Custom-Colors angeboten. Außerdem erweiterte man die Serie: Shenandoah, Malibu, Villager und Newporter kamen 1966 hinzu, zwei Jahre später dann noch Palomino und Redondo. Rossmeisl lernte in dieser Zeit zudem einen dänischen Erfinder kennen, der einen Weg gefunden hatte, Beize in die Wurzeln eines wachsenden Beechwood-Baumes zu injizieren, sodass das Kernholz der Bäume bereits vor dem Einschlag spektakulär eingefärbt wurde. Bunte Bäume! Aus diesem so genannten Wildwood wurden etliche Kingman-, aber auch einige semiakustische Coronado Modelle gebaut. Erstaunlich eigentlich, dass selbst diese Wildword-Gitarren auf dem Vintage-Markt keinen Originalitäts-Bonus haben, denn sie sehen wirklich spektakulär und ganz eigen aus.
elvis
Elvis Presley, der ja eher Martin-Gitarren spielte, ließ sich immerhin in dem Film ‚Clambake’ eine Fender Wildwood Kingman reichen. Der King spielte also tatsächlich die Kingman, eine Verbindung, die ja eigentlich nahe liegt! Auch Johnny Cash, ebenfalls in erster Linie Martin-Spieler, wurde damals mit einer (natürlich schwarz lackierten) Kingman abgelichtet, ebenso Bob Dylan, der in einer Songwriter-Session mit Robbie Robertson eine Fender King dabei hatte.
Dennoch waren die Fender-Akustiks alles andere als ein Erfolg; und wenn man sich heute die Firmenliteratur von damals ansieht, wird man das Gefühl nicht los, dass diese neue Serie von Anfang an schon recht halbherzig präsentiert wurden. Ganz anders z. B. als das Fender Rhodes Piano, das ebenfalls 1963 auf dem Markt erschien, aber schon in kurzer Zeit ein Mega-Seller wurde. Vielleicht waren die neuen Akustikgitarren in ihrer Erscheinung auch zu radikal? Vielleicht war die Zeit auch eine andere als z. B. 1952, als Leo Fender mit seiner Brettgitarre Telecaster den damals noch biederen Markt überraschen konnte? Das Klientel für Akustikgitarren in der Mitte der 1960er Jahre bestand in der Hauptsache eben aus folkig orientierten Hippie-Musikern, die keine Akustikgitarren mit einem aufgeschraubten E-Gitarrenhals, sondern richtige, traditionell gebaute Instrumente bevorzugten. Sie haben etwas verpasst!
Statt Rebellion eben softe Flower Power mit traditionellen Werten. Dabei war der Klang dieser Fender-Instrumente durchaus gut, wenn auch sehr eigen und nicht mit bekannten Martin- oder Gibson-Sounds zu vergleichen, die man damals überall im Radio hörte. Sehr transparent mit einem wunderbar singenden Charakter, einem sehr langen Sustain (wie ein eingebauter Compressor!) und einem aufgeräumten Bassbereich. Die Kingman – und diese hier hat das schon ein paar Mal bewiesen – ist eine Gitarre, die sich z. B. im Studio wunderbar aufnehmen lässt!
War damals schon die Reaktion der Musiker verhalten, so ist auch heute kaum ein Vintage-Fan an diesen Fender-Akustikgitarren interessiert. Auf einem Vintage-Internetportal wurde die „Collectibility-Rate“ der Kingman, also ihre Sammlungswürdigkeit, in einem von A bis F reichenden System mit einem glatten F bewertet, also dem schlechtest-möglichen Wert. Damit stand die King/Kingman vor ca. 10 Jahren noch auf einer Stufe mit der Musicmaster, und zwar der Billigvariante dieses Einsteigermodells mit nur einem Pickup. Das war hart und unverdient. Heute - 2021 - hat sich ihr Sammlerwert deutlich verbessert, wenn auch er längst nicht die Summen erreicht, die die E-Gitarren des Hauses erzielen. Alte, gut erhaltene Fender Akustikgitarren aus den 1960ern werden zwischen €1500 und €2000 angeboten.
heute
Die Fender Kingman ist trotz leicht wachsender Beliebtheit nicht mehr als eine Fußnote in der langen, erfolgreichen Fender-Historie, und das trotz ihrer interessanten Geschichte, ihrer durchaus vorhandenen Qualität und Individualität. Und das ist durchaus bemerkenswert!
Was die Fender-Company von heute aber nicht abhält, diverse Versionen der Kingman neu heraus zu bringen. Gut so, denn heute ist die Zeit für solch ein extremes Design reifer als damals. Die neuen Kingman sind jedoch, auch wenn sie die Fender-E-Gitarren-Kopfplatte tragen, wie übliche Akustikgitarren gebaut - mit einer verleimten Dovetail-Hals/Korpusverbindung und ohne den für den typischen Kingman-Sound so wichtigen Broomstick. Diese Entscheidung der Fender-Bosse ist nachvollziehbar, denn wer will schon einen Alustab in der Gitarre - außer mir und den wenigen Besitzern solcher Originale? Auch das Elvis-Signature-Modell, das mit Presleys Familie zusammen herausgegeben wurde, ist eine ganz traditionell gebaute Akustikgitarre mit Fender-Kopfplatte.
Die ca. 2015 vorgestellten limitierten Reissue- und Custom-Shop-Gitarren hatten ebenfalls keinen Broomstick, aber immerhin geschraubte Hälse. Und dieses Mal hat Fender die Stabilität der Hals-/Korpusverbindung in den Griff bekommen.
Das Fender Programm von heute hat jede Menge Gitarren, deren Design sich an der von Rossmeisl in den 1960er Jahren entwickelten Serie orientieren. Es sind Gitarren, die günstig in Fernost gebaut werden, eine ordentliche Qualität haben und nach wie vor auch optisch eine Klasse für sich sind. Und nach wie vor wenig Anklang bei den Gitarristen:innen dieser Welt finden. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle wie Redondo, Newporter und Malibu und mit der Joe Strummer Campfire sogar ein Signature Modell eines namhaften Musikers. Es scheint, dass Fender seine Akustikgitarre-Serien nebenbei mitlaufen lässt - so wie damals auch...
Also alles roger?
Die Fender-Rossmeisl-Verbindung hielt bis etwa 1970. Solange verblieben auch die Fender Akustik im Firmenkatalog. Ehe Rossmeisl zurück nach Deutschland kam, entwickelte er für seinen Arbeitgeber auch noch die bis heute unsterbliche Thinline Telecaster und die eher wenig beachteten LTD- und Montego-Jazz-Gitarren. Roger Rossmeisl, der deutsche Gitarrenbauer, der das amerikanische E-Gitarren-Erbe wegweisend mitgeprägt hatte, starb 1979 im Alter von nur 52 Jahren in Berlin, gezeichnet von einem langjährigen Alkoholproblem.
Dieser Artikel erschien in einer früheren Form erstmals in Gitarre & Bass.
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